arabische Musik

arabische Musik
arabische Musik,
 
ursprünglich die Musik auf der Arabischen Halbinsel. Aufgrund zeitweiliger staatlicher Einheit und der religiösen Gemeinsamkeit steht sie in engem Zusammenhang mit den Traditionen der islamischen Länder Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens sowie Spaniens während der Maurenherrschaft. Obwohl sich die Stile heute klar abgrenzen lassen (ägyptische Kultur, persische Musik, syrische Musik, türkische Musik), weisen sie viele Gemeinsamkeiten auf (z. B. in Terminologie, Theorie, Aufführungspraxis, in den modalen und rhythmischen Strukturen sowie den Instrumententypen) und sind in ihrer historischen Entwicklung von wechselseitigen Einflüssen gekennzeichnet. Auch verbindet sie die Auseinandersetzung mit der Musikfeindlichkeit des orthodoxen Islam, der jede weltliche Musikausübung zu unterbinden sucht und offiziell nur Gebetsruf, Korankantillation und kulturelle Hymnen gelten lässt. Seit dem 13. Jahrhundert begannen aber einige Derwischorden, die Musik als Hilfe zur mystischen Versenkung zu legitimieren.
 
Die arabisch-islamische Musik teilt sich in eine östliche Gruppe mit Ägypten, Libanon, Syrien, Türkei und Persien und den westlichen Bereich mit Marokko, Algerien und Tunesien. Beide Richtungen gehen auf die Hofmusik zurück, die sich unter persischer Einfluss an den Kalifenresidenzen in Medina, Damaskus und in Bagdad vom 7. bis 9 Jahrhundert zur Zeit der Omaijaden und Abbasiden entwickelte.
 
In der arabischen Tradition steht die menschliche Stimme, die zudem Klangideal ist, im Vordergrund. Nach dem begleiteten Sologesang, den der Künstler von einem kleinen Podium (Maqam) aus vortrug, wurden die für die Kompositionspraxis charakteristische Melodiemodelle benannt. Die Melodien, die ein Instrument meist in freier Einstimmigkeit umspielt (Heterophonie), stehen in einem bestimmten Maqam und werden improvisatorisch frei und verzierungsreich ausgeführt. Der Gesangston ist gepresst und leicht näselnd. Begleitende Trommeln folgen rhythmischen Zyklen. Eine der längsten, heute noch in Syrien gespielten Perioden umfasst 176 Schläge. Auflistungen und Analysen von Rhythmusmodellen sowie Unterteilungen des Tetrachords in unterschiedlich große Intervalle zur Bildung von Skalen sind die wichtigsten Themenkreise der zahlreichen mittelalterlichen Abhandlungen arabischer Musiktheoretiker, die an antike Traktate anknüpfen (Ishak al-Mausili, ✝ 850; al-Kindi, ✝ um 870; Alfarabi, ✝ 950; Ibn Sina, lateinisch Avicenna, ✝ 1037; Safi ad-Din al-Urmawi, ✝ 1294). Ihre Ausführungen waren oft rein spekulativ und entsprachen nicht der musikalischen Wirklichkeit. Um die Fülle der Intervallberechnungen auch der folgenden Jahrhunderte zu vereinheitlichen, einigte man sich 1932 in Kairo auf ein 24stufiges Vierteltonsystem, das zwar die Verzierungen im Maqam nicht hinreichend erfassen kann, aber für die Beschreibung des Tonmaterials hilfreich ist.
 
Die wichtigsten Musikgattungen sind die suitenartige Nauba, der Taqsim, die poetischen Gesangsformen Zadjal und Muwaschschat (beide andalusischer Ursprungs) und die Kasside (auf vorislamische Wüstenstämme zurückgehend) mit ihrer klassischen und volkstümlichen Variante.
 
Klassische Instrumente in der arabischen Kunstmusik sind die Kurzhalslaute Ud (das vornehmste Virtuoseninstrument), die trapezförmigen Brettzithern Qanun (Kanun; Saiten gezupft oder mit Plektron angerissen) und Santur (Saiten mit zwei Klöppeln angeschlagen), die zweisaitige Streichlaute Rabab, die viersaitige Spießlaute Joze (Djause) mit dem Resonanzkörper einer Kokosnuss, die einfellige Vasentrommel Darabukka, die Rahmentrommel Daff mit eingelassenen Zimbeln am Rand und die Längsflöte Naj. Alle Instrumente werden zuweilen in Ensembles der Volksmusik integriert.
 
Die Volks- und Stammesmusik konnte die Eigenheiten der verschiedenen Völker stärker bewahren als die Kunstmusik. Zu den am weitesten verbreiteten Volksmusikinstrumenten mit unterschiedlich großen Abwandlungen in Bauart und Bezeichnung zählen das Paukenpaar Naqqarat, die fünf- bis sechssaitige Leier Simsimija und die einsaitige Variante der Rabab mit rechteckigem Korpus als bevorzugtes Instrument der Dichtersänger zur Begleitung ihrer epischen Gesänge. Unter Mizmar, den Gattungsbegriff für Rohrblattinstrumente, fallen die Klarinette Uffata, die Doppelklarinetten Zummara und Arghul sowie die Oboe Zurna, die gemeinsam mit der zweifelligen Rahmentrommel Dawul eines der am häufigsten bei Prozessionen und Festen eingesetzten Ensembles bildet.
 
Ursprünglich wurde die arabisch-islamische Musik mündlich überliefert; heute bedient man sich zum Teil der europäischen Notenschrift. - Obwohl die Musik der modernen Komponisten in der Tradition wurzelt, entlehnt sie aus der westlichen Musik harmonische Wendungen, ersetzt lange Rhythmusperioden durch Zweier- und Dreiertakte und tendiert zur Vergrößerung des Ensembles.
 
 
H. G. Farmer: A history of Arabian music to the XIIIth century (London 1929);
 R. Lachmann: Musik des Orients (1929);
 R. D'Erlanger: La musique arabe, 6 Bde. (Paris 1930-59);
 W. J. Krüger-Wust: Arab. Musik in europ. Sprachen (1983);
 H. H. Touma: Die Musik der Araber (Neuausg. 1989).

Universal-Lexikon. 2012.

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